Claus Jensen über »radikale« Betreuungsangebote, die die Kleinkindpädagogik positiv beeinflussen

Wir in Nordeuropa legen Kleinkinder zum Mittagsschlaf nach draußen. Das ist gar nichts neues, sondern seit vielen Jahren zu Hause und in Krippen so üblich. Eindeutige Gründe sind nicht zu finden, wie häufig, wenn es um Traditionen geht: Man macht es einfach so, weil frische Luft Kindern gut tut.


Soweit es Kleinkinder betrifft, ist die Vorstellung weit verbreitet, dass ein Leben im Freien gut und gesund ist. Diese Überzeugung lässt sich in der Welt der Pädagogen an vielen Stellen ablesen, besonders in den pädagogischen Konzeptionen einzelner Einrichtungen. In meinem Beitrag möchte ich nicht die Kleinkindeinrichtungen Dänemarks beschreiben, sondern mich darauf konzentrieren, zwei radikale Beispiele vorzustellen, deren Fokus auf dem Wechselspiel zwischen den Kindern und dem Leben im Freien liegt. Diese Einrichtungen beeinflussten sehr stark die Ansichten über Natur und den Aufenthalt draußen, auch in und von traditionellen Krippen.


Skrammellegeplads

Das erste Beispiel ist der sogenannte skrammellegeplads1. 1943 wurde der erste in Emdrup bei Kopenhagen eröffnet. Es gibt ihn noch heute. Damals war ein skrammellegeplads ein völlig neuer Typ Spielplatz. Einer der Ideengeber war der Gartenarchitekt C. Th. Sørensen. Er beschrieb 1948 die Chancen pädagogisch betreuter Spielplätze: »Der skrammellegeplads erlaubt Kindern zu erschaffen. Sie können träumen, sich etwas vorstellen und ihre Fantasie Realität werden lassen, wenigstens in dem Maße, das dem Kind genügt. Ein solcher Spielplatz bietet Stadtkindern ein Wohlergehen, das dem der Landkinder gleicht.

Auf betreuten Spielplätzen muss man Holzplatten, Ziegelsteine, Fliesen, Wasserrohre, alte Autos, Boote und Karren finden, einfach alles, was mit Altwaren bezeichnet werden kann.« Für die freie Zeit nach der Schule sollte ein skrammellegeplads alles bieten, was ein spielendes, kreatives Kind braucht. In den folgenden Jahrzehnten wurden überall in Dänemark betreute Spielplätze gegründet. Teils wurden sie erweitert um Pferde, Schweine, Schafe, Hühner und Kaninchen, in deren Pflege die Kinder einbezogen wurden.

Ein skrammellegeplads war und ist noch ein merkwürdiges Mittelding zwischen Stadt und Land. Dieser Typ Einrichtung soll Stadtkindern bestmögliche Bedingungen des Aufwachsens bieten, inspiriert durch das Landleben. Außer dem täglichen Umgang mit Tieren haben die Kinder Gelegenheit zum Hämmern, Schnitzen, Sägen.

Die vier Elemente Erde, Feuer, Wasser und Luft standen immer im Zentrum dänischer Pädagogik. Kinder müssen graben können, mit Wasser spielen, Kanäle bauen und Dämme, Feuer entfachen. Kinder, die einen skrammellegeplads besuchen, wissen, wie man sich an einem Lagerfeuer benimmt: Es ist gefährlich, also müssen sie vorsichtig sein.

Stets waren Skrammellegepladser nicht nur wichtig für die dort Tag für Tag spielenden Kinder, sie erlangten eine große institutionelle Bedeutung, besonders seit den 1960er und 1970er Jahren. Eine der zentralen Diskussionen in der Pädagogik ist heutzutage die Balance zwischen Sicherheit und Risiko. In der fortdauernden Debatte gibt es in den letzten Jahren einen Trend zur Sicherheit.

Sicherlich ist das auch positiv und vernünftig zu sehen, doch wird es problematisch, wenn dadurch das Außengelände zu einem Ort verändert wird, der steril und gut gewartet, aber langweilig ist.
Jahrzehnte lange Erfahrungen mit skrammellegepladser zeigen, dass Kinder sich nur sehr selten verletzen. Erfahrung lehrt tatsächlich, dass Kinder, die sich öfter in solcher Umgebung aufhalten, sehr schnell mit Risiken umgehen lernen. Durch ihre bloße Existenz haben skrammellegepladser gezeigt, dass man eine herausfordernde Umgebung für Kinder schaffen kann. Sie haben bis heute ihre Wirkung auf alle anderen pädagogischen Institutionen in Dänemark.


Skovbørnehave

Während die skrammellegepladser eine Methode sind, Natur und Landleben in die Stadt zu holen, steht das nächste Beispiel für die Gegenbewegung: Kinder werden aus der Stadt aufs Land oder in den Wald gebracht. Dieser Institutionstyp wurde in Kopenhagen erfunden, wo es schwierig war, Krippen und Kindergärten an angemessenen Orten zu bauen. Einige Einrichtungen wurden darum außerhalb des Zentrums errichtet. Die Kinder wurden dorthin und zurück per Bus transportiert. In den 1960er Jahren ging das mehr auf den Mangel an geeignetem Baugrund zurück, als dass ein pädagogisches Konzept dahinter stand, Kinder mit Natur in Berührung zu bringen.

Doch in den 1980er Jahren rückte genau diese Sicht in den Mittelpunkt. In einem skovbørnehave2 stellt der Aufenthalt im Freien nicht nur eine Unterbrechung während des Tages dar, vielmehr verbringen die Kinder fast alle Zeit draußen. Morgens geht es aus der Stadt raus, nachmittags wieder rein. Üblicherweise gibt es eine Hütte als Unterstand, doch sie bietet nur ausnahmsweise Schutz, denn es geht ja um das Leben im Freien. Die Grundidee ist, dass Kinder, die bereits in den ersten Lebensjahren ein Grundverhältnis zur Natur entwickelt haben, zukünftig aufmerksamer auf Umweltprobleme reagieren.

Im Jahr 1959 gründete eine Gruppe von Pädagogen und Architekten die Dansk Legeplads Selskab (Dänische Spielplatzvereinigung). Meinen Beitrag möchte ich nun beenden, indem ich über den Zweck der Vereinigung berichte, der darin liegt, die Spielgelegenheiten von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen zu verbessern. Praktisch wird das Ziel durch Informationen verfolgt und indem betreute Spielplätze unterstützt werden, um


Die Tatsache, dass die Vereinigung nach 50 Jahren noch immer besteht, belegt, dass es notwendig ist, die Möglichkeiten und Ideen für betreute Spielplätze im Freien zu unterhalten und zu entwickeln.

Claus Jensen, Gewerkschafter, ist Generalsekretär von BUPL (Aarhus), der Lehrergewerkschaft in Dänemark.
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1 Skrammellegeplads: Der Begriff ist zusammengesetzt aus skrammel (Altwaren, Stückchen) und legeplads (Spielplatz). Es handelt sich um einen pädagogischen Spielplatz, der mit »Zeug« ausgestattet ist, mit dem Kinder spielen.
2 Skovbørnehave: ein Begriff aus skov (Holz) und Krippe/Kindergarten – ein Waldkindergarten.



 

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